Das pandemische Manifest. Neun Schritte in eine zukunftsfähige Gesellschaft
Die Corona-Krise wird häufig als Zeitenwende beschrieben. Zwei Wege leuchten am Ende des Tunnels: Entweder wir überhöhen den vorpandemischen Zustand als gute Normalität und drehen das Rad zurück. Doch wir können nicht zum Normalen zurück. Denn das Normale war das Problem. Oder wir lernen von Corona, beschreiten einen anderen Weg und beginnen, unser Zusammenleben neu auszubuchstabieren.
Der Horizont ist klar: Die Reduzierung von Ungleichheit ohne Gleichmacherei; die Begründung einer freien und leistungsgerechten Gesellschaft; die Stärkung unseres Gemeinwohls durch eine ehrliche Gemeinschaft; Chancen schaffen für die Corona-Generation; Demokratie systemrelevant machen, mit nachhaltigem Wirtschaften zur zukunftsfesten Gesellschaft werden, die Agrarwende anpacken und die nächste Pandemie verhindern; mit internationaler Zusammenarbeit alle sichern; und – mit Zeitwohlstand glücklich werden und genussvoll dem Klimawandel trotzen.
Das Manifest leuchtet diesen Weg aus!
Der Autor
Hans-Jürgen Burchardt ist Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Kassel und fördert als Direktor des Maria Sibylla Merian Center for Advanced LatinAmerican Studies CALAS sowie des Kasseler Lateinamerikazentrums CELA den Ideenaustausch zwischen Nord und Süd.
Das Buch ist 2021 im OEKOM-Verlag erschienen und wird über die Seite des Verlages als kostenfreies E-Book oder in der Print-Version bereitgestellt.
Science Slam Kassel: Von Krisen und Lösungen
1: Ungleichheit nicht mehr töten lassen
„Wir müssen anerkennen, dass wir keine Mittelschichtsgesellschaft mehr sind. Debattieren, ob wir das soziale Auseinanderdriften begrüßen oder stoppen und gar umkehren wollen. Prüfen, wo wir selbst stehen, was wir uns für uns und unsere Liebsten wünschen. Es gilt anzuerkennen, dass wir mit unserem Wunsch nach einem guten Leben für unsere Kinder viel zu häufig eine Besitzstandswahrung verfolgen, die vor allem den Top-Verdienern und großen Vermögen nützt, unseren Kindern aber dauerhaft die Chancen auf eine nachhaltige Zukunft verbaut. Und zu begreifen, dass Gut- und Besserverdienende zu beständig einen Eigentumschauvinismus vertreten, der vielleicht heute individuell Sicherheit gibt, aber so überzogen ist, dass er unsere Kinder morgen in den Abgrund stürzt.“
Kurzzusammenfassung:
Mehr sozialer Zusammenhalt, mehr Teilhabe, mehr Leistungsgerechtigkeit, mehr Daseinsvorsorge, mehr gutes Leben für alle, und – mehr Gleichheit wagen!.
Wir brauchen:
- Breite öffentliche Debatten über die soziale Lage in unserer Gesellschaft
- Mehr Daten und Wissen über Ungleichheit, Reichtum und Armut
- Einen stärkeren Fokus auf die Lebensbedingungen von Frauen
Wir müssen:
- Politik in die Pflicht nehmen: Vorschläge und Lösungen fordern und unterstützen, die nachweislich Ungleichheit reduzieren, Leistungsgerechtigkeit und Zusammenhalt stärken und Klimaschutz immer sozial verträglich denken.
Science Slam Kassel: Verteilungskrise
2: Wie wir nach Corona alle reicher werden
„Deutschland ist aber nicht nur eines der reichsten Länder der Welt, sondern auch eine der ungleichsten Gesellschaften Europas. Die obersten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen zwei Drittel des Nettovermögens. Anders gerechnet: Wenn man das Geldvermögen von 2021 von über sieben Billionen Euro auf die gesamte Bevölkerung verteilen würde, hätte jeder Haushalt über 160.000 Euro auf der hohen Kante. Im wirklichen Leben besitzt die ärmere Hälfte unserer Bevölkerung nur 0,5 Prozent dieses Reichtums. Fast 30 Prozent des gesamten Vermögens im Land gehören hingegen einem Prozent der Haushalte. Knapp 15 Prozent des gehorteten Bargelds gehört sogar den reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung, also rund 80.000 Menschen. Diese Top 1 haben ein Vermögen so hoch wie drei Viertel der Deutschen. Anders beschrieben: Bestünde die Gesellschaft aus zehn Menschen, dürfte sich der reichste Mensch sechs Stücke vom Kuchen nehmen, vier Personen teilen sich die weiteren Stücke; für die Hälfte bleiben Krümel.“
Kurzzusammenfassung:
Nicht die Energiekrise, der Klimawandel oder die Pandemie sind unsere größte Herausforderung. Es ist als erstes eine Verteilungskrise, die unser Leben und unsere Zukunft bedroht. Wir können nach der Krise alle reicher werden!
Wir brauchen:
- Steuererhöhung für umweltbelastenden Konsum wie SUVs oder Flugzeugkerosin
- Breite Debatte über die Verteilung der Krisenkosten und die dazu erforderlichen Steuerreformen
- Förderung unabhängiger Reichtumsforschung
- Vorbereitung einer einmaligen Vermögensabgabe
- Reformierung der Erbschafts- und Einkommenssteuer,
- Einführung eines Energie-Soli, Erbe für alle
- Streichung der Schuldenbremse
- Aufstockung des globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen auf 25 Prozent
Science Slam Kassel: Alle reicher werden
3: Die gute Gesellschaft durch Gemeinwohl für alle
„Nur ein solides Gemeinwohl für alle sichert über die Herstellung von Gleichheit langfristig Freiheit, Recht und Demokratie. Eine solche Daseinsvorsorge sollte über Steuern finanziert werden.”
„Deutschland hat die Sozialpolitik erfunden und in die Welt gebracht. Das könnten wir als Verpflichtung interpretieren, jetzt den Wohlfahrtstaat 2.0 auf den Weg zu bringen. Nicht nur bei uns, sondern auf europäischer Ebene. Die Coronakrise wird oft mit den Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs verglichen. Eine gute Zeit für einen Neuanfang. Machen wir die EU zu einer Sozial- und Steuerunion!”
Kurzzusammenfassung:
Machen wir uns ehrlich: Durch Gemeinwohl von allen und für alle kommen wir zur gesunden Gesellschaft.
Wir brauchen:
- Zügige Reform des Gesundheitssystems: Abschaffung der Fallpauschalen, Aufstockung der Personalausstattung der Kliniken sowie der Gehälter; Rekommunalisierung der Krankenhäuser, Einführung einer einheitlichen Bürgerversicherung mit Wahloptionen
- Höhere Mindestlöhne, bessere Aufstiegsmöglichkeiten und gesellschaftliche Anerkennung für Betreuungs- und Pflegearbeit
- Politische und kulturelle Aufwertung von reproduktiven, also systemrelevanten Tätigkeiten
- Komplette und zeitnahe Umstellung unserer Sozialsysteme auf Steuerfinanzierung
- Aus- und Aufbau einer breiten, öffentlichen, bedarfsorientierten, kommunalen und qualitativ hochwertigen Infrastruktur für Bildung, Gesundheitsversorgung, Pflege, Mobilität, Energieversorgung, Wohnen, Kultur, Sport und Internet
4: Zukunft für die Coronageneration schaffen
„Die letzten zwei Jahrzehnte über konnte man in der Bildung unter Schlagworten wie Standortsicherung oder Humankapitalbildung einen deutlichen Prozess der Ökonomisierung beobachten, der Bildung auf ökonomisch verwertbares Wissen zusammenschrumpfen lassen wollte. Doch im 21. Jahrhundert geht es nicht mehr um nützliches lexikalisches Wissen, um pure Wissensaneignung. Die Welt belohnt uns nicht mehr allein dafür, was wir wissen – dank Internet ist fast alles Wissen fast überall zugänglich. Fürs Leben lernen heißt vielmehr, Wissen richtig einzusetzen. Wir müssen unsere Kenntnisse kreativ auf neue Zusammenhänge übertragen, komplexe Zusammenhänge verstehen, Bekanntes in Frage stellen und aus Fehlern lernen. Dies geht am besten in heterogenen Klassen, bei denen Lernschwächere und -stärkere zusammenarbeiten. Bildungspolitik sollte eine weitergehende Integration von Praxis und Fächern fördern, die neben dem inhaltlichen Lernstoff auch soziales Lernen, Handeln und Kommunizieren sowie einen anderen Umgang mit Arbeit, Zeit und Umwelt ermöglicht.”
Wir brauchen:
- Aufstockung des Lehrpersonals, einheitliche Besoldung, Verbesserung der Arbeitsqualität durch weniger Lehrstunden, kleinere Betreuungseinheiten, entschlackte Lehrpläne sowie gute und verpflichtende Aus- und Weiterbildungsgebote
- Schaffung eines eingliedrigen Schulsystems bis zur zehnten Klasse mit individuellen Förderungsoptionen. Statt „Sitzenbleiben“ Förderungsanspruch bei relevanten Lernrückständen
- Bedarfsgerechte Betreuungsintensität in den (Vor-) Schulen durch Verteilungsschlüssel, bei denen soziale Brennpunkte besonders qualifizierte und doppelt so viele Lehrkräfte erhalten wie gut situierte Schulen
- Reformierung der Lehrpläne, Abbau disziplinärer Fachgrenzen zwischen Natur, Technik und Gesellschaft, stärkere Einbeziehung nachhaltigen und globalen Lernens, Ausbau von Theorie-Praxis-Verbünden
- Ausbildungspakt mit der Wirtschaft zur Senkung von Schulabbrecherquoten und für betriebsnahe Weiterbildung von Geringqualifizieren
- Verstärkter Einsatz sozialpädagogischer und psychologischer Fachkräfte in Schulen
- Aufstockung des Personals in Kitas; Ausbau der ganztägigen, qualitativ hochwertiger Kindertagesbetreuung als hochwertiges Bildungs- und Förderungsprogramm
5: Fairdenken statt Querdenken
„Politik muss lebensweltlich erfahrbar werden. Besonders im lokalen Raum. Kommunale Politik ist der Ort, wo wir gemeinsame Lösungen suchen müssen, damit Distanz, Ablehnung und Ausschluss nicht erstarken. Ein Ort der Teilhabe und Lebensmöglichkeit, und nicht im Sinne eines Herkunftsnachweises. Ein Ort, der riecht und schmeckt, fühlbare Geborgenheit, Sicherheit und Wohlbefinden schenkt, uns Raum für uns und die Unseren lässt, aber ausreichend groß ist, um an Auseinandersetzungen zu wachsen und für andere und für Unbekanntes offenzustehen. Der Philosoph Ernst Bloch hat diesen Ort im Prinzip Hoffnung einmal als Heimat beschrieben. Für Bloch ist Heimat das ewig Vorhandene und ewig Neue. Etwas, „das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war.“ Heimat also zugleich als Erinnerung und große Hoffnung. Der Ort, an dem wir waren und der Ort, zu dem wir hinwollen. Demokratie eben!”
Wir brauchen:
- Mehr öffentliche Debatten; Förderung der Streitkultur, Entmoralisierung und Versachlichung von Argumenten
- Anerkennung von Krisengewinnler*innen und -verlier*innen, von gesellschaftlichen Widersprüchen, Einleitung einer Politik des sozialen Ausgleichs
- Erprobung neuer Politikformen: Bürger*innenräte, öffentliche Konsultierungen zu Alltagsfragen, Einführung von Zeitpolitik
- echte Erneuerung und Verjüngung von Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbände sowie Vereine durch niedrigschwellige Mitgliedschaften und mehr Selbstwirksamkeit, stärkere Ämterrotation
- Kommunalpolitik stärken
- Demokratie systemrelevant machen
6: Gutes Klima für Arbeit und Mensch
„Corona hat uns vorgeführt, dass Geiz nicht geil ist, aber vielfach Elend schaffen und töten kann. Die Sparobsession der deutschen Politik, mit der Schuldenbremse 2009 sogar ins Grundgesetz zementiert, aber auch unser aller Knausern trotz Höchststände an angehäuftem Erspartem, womit wir den nächsten Generationen die Zukunft stehlen, muss aufhören. Die schwarze Null muss weg! Sie ist nicht Ausdruck einer soliden Finanzpolitik und Haushaltsführung, sondern raubt uns die Chance auf positive und nötige Veränderungen. Die letzten zwei Jahrzehnte beweisen: Durch die schwarze Null ist im öffentlichen Bereich ein gigantischer Substanzverlust entstanden, der einen immensen Sanierungs- und Investitionsstau und tiefe soziale Verwerfungen nach sich zieht, die uns alle betreffen und zusätzlich enorme Kosten verursachen werden. Geld genug ist da, es geht nun darum, zu klären, wie es eingesetzt werden soll.”
„Machen wir eine kluge Steuerpolitik – und richtig gute Schulden!“
Wir brauchen:
- Ehrliche Debatte über die Chancen und Kosten für Wirtschaft, Gesellschaft und den Einzelnen durch eine Anpassung in Richtung Klimaneutralität
- Einheitliche Sozial- und Umweltklauseln sowie Finanz- und Steuerkooperationen in allen internationalen Handelsverträgen und transnationalen Wertschöpfungsketten
- (Wieder-)Einrichtung internationaler Wechselkursregulierungen
- Durchsetzung verbindlicher Umweltstandards in allen Wirtschaftsbranchen; intensive Förderung von nachhaltig ausgerichteten und sozial angepassten Technologieinnovationen
- Rascher Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger
- Stärkung der kommunalen Wirtschaft mit kleinen und mittelständischen Betrieben
- Regionalisierung der systemrelevanten Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, Förderung nachhaltigen Konsums, Revitalisierung des ländlichen Raums
- Umfassender Ausbau eines europaweiten öffentlichen Verkehrssystems sowie der Modernisierung der nationalen Verkehrsinfrastruktur, für einen öffentlichen Personennahverkehr, für mehr Fahrradwege
- Massive Förderung kommunalen Bauens, Stadtplanungen der kurzen Wege, mehr Grün- und Erholungsräume in den Städten, urbane und ländliche Mobilitätswende
- Versöhnung von Nachhaltigkeit und Arbeit durch Maßnahmen wie „Kurze Vollzeit für alle“, gute und abgesicherte Jobs, umweltfreundliche öffentliche Mobilitätsangebote, volle Anerkennung von Care-Arbeit
- Stärkung von Leistungsgerechtigkeit und Chancengleichheit über die Erweiterung der betrieblichen Mitbestimmung, der Verbreiterung von Belegschaftseigentum oder eines „Erbe für alle“
- Förderung der Kunst- und Kulturbranche zugunsten einer „Spaßkultur Nachhaltigkeit“
7: Corona als Neustart für die Landwirtschaft
„Die Körpermasse aller existierenden Masthähnchen ist dreimal größer als die Masse aller anderen weltweit lebenden Vögel. Die Futterversorgung dieser Massentierhaltung beruht hauptsächlich auf billigem, importiertem und genmanipuliertem Soja, für dessen Produktion vor allem in Lateinamerika riesige Waldflächen und wertvolle Ökosysteme zerstört werden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Welternährungsorganisation FAO der Vereinten Nationen warnen schon seit Jahren vor Pandemien im Zusammenhang mit industrieller Tierhaltung – vor allem von Geflügel und Schweinen.”
„Wo Nutztiere auf engem Raum zusammengedrängt sind, leiden ihre Immunsysteme und anderen biologischen Widerstandskräfte. Größere Nutztierpopulationen auf Farmen befördern eine höhere Übertragungswahrscheinlichkeit von Krankheiten und wiederkehrenden Ansteckungen.Industrielle Viehzucht ist immer auch Virenzucht.“
Wir brauchen eine Agrarwende:
- Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und des Nationalen Strategieplans Deutschlands
- Ausstieg aus pauschalen Flächenprämien, stärkere Förderung ökologischer Landwirtschaft, Wiederherstellung kleinteiliger regionaler Landschaftsstrukturen
- Stärkere Kunst- und Kulturförderung und mehr Daseinsvorsorge im ländlichen Raum
- Wiedereinführung der Bindung der Tierhaltung an die Fläche
- Politische Kampagnen zur Verringerung des Fleischkonsums durch zielgruppenspezifische Aufklärung, die Förderung pflanzlicher Ernährung in Kitas, Schulen, Unimensen und betrieblichen Kantinen sowie Preissignale über Steuern, ohne Fleischkonsum zum Privileg zu machen.
8: Niemand ist sicher, bis alle sicher sind
„Das augenscheinliche Scheitern internationaler Militärinterventionen und die Tatsache, dass wir schon vor Corona am Anfang eines neuen Wettrüstens und möglicherweise am Beginn eines neuen Kalten Kriegs zwischen den USA und China standen, müssen nicht nur schlechte Nachrichten sein: Es gibt keinen wirtschaftlichen Bereich, der so stark von Steuern finanziert und von der Politik reguliert ist, wie die Rüstungsindustrie. Außenpolitik ist immer auch Sicherheitspolitik. Das Primat der Politik, welches vom Virus wachgeküsst wurde, indem es ein neues Bedrohungsszenario schuf, muss nun in eine alternative Sicherheitspolitik münden. Eine Politik, die Sicherheit um die Adjektive sozial und ökologisch ergänzt. Eine Außenpolitik als Weltinnenpolitik, die statt auf Waffen stärker auf Seuchenprävention, globale Daseinsvorsorge und Klimaziele ausgerichtet ist. Das aktuelle Aufrüsten zeigt uns, in welchem Umfang Ressourcen für solche Ziele problemlos zu mobilisieren sind. Europa und die NATO könnten beispielhaft vorangehen
Den Klimawandel kann man nicht wegbomben.“
Wir brauchen neue Leitplanken für eine kluge Außenpolitik:
- Sofortige, niedrigschwellige Lizenzvergabe und zügige Aufhebung der Patentrechte für Corona-Impfstoffe
- Einrichtung eines globalen Patentpools bei der Weltgesundheitsorganisation WHO
- Aufbau eines globalen Früherkennungssystem der Seuchenprävention
- Verbesserung von Daten- und Preistransparenz für medizinische Forschung, Entwicklung und Verkauf; sozialverträgliche Lizenzierung von öffentlich geförderter Produktentwicklung
- Förderung einer neuen, auf Kooperation ausgerichteten internationalen Sicherheitsarchitektur, Aufbau einer europäischen Armee; Abrüstung durch die NATO
- Außenpolitik als Weltinnenpolitik mit Fokus auf Seuchenprävention, globale Daseinsvorsorge und Klimaziele
- Einleitung eines globalen Marshall-Plans und Schuldenerlasses für die stark von der Pandemie betroffenen Länder, Einführung eines internationalen Staateninsolvenzverfahren
9: Zeitwohlstand als Schlüssel für die Zukunft
„Das Versprechen auf ein selbstbestimmtes Leben ist nicht nur eine mächtige Kraftquelle und Magie, die uns antreibt. Uns wird immer bewusster, dass es auf Kosten der Gemeinschaft und der Natur geht. Selbstbestimmtes Leben wird für jede morgige Gesellschaft ein besonders erstrebenswertes Ziel sein. Es muss aber mit der Gemeinschaft und Natur in Einklang gebracht werden. Anstatt also weiter den Markt zu feiern, beziehungsweise den Kapitalismus oder das ungerechte Weltsystem zu geißeln, sollten wir überlegen, ob wir heute an einem Punkt angekommen sind, an dem wir nicht nur viel erreicht haben, sondern der es uns jetzt erlaubt, mutig den nächsten Schritt zu gehen und eine andere Zukunft aufzubauen, die klüger und gerechter gestaltet ist – und darum uns und allen gut tut. Statt immer mehr haben zu wollen, geht es um das gute Leben an sich.
Eine Antwort darauf ist Zeitwohlstand. Diese Idee ist nicht moralisierend, sondern erlaubt nach der Krise Wohlstandsgewinne für alle, sie ist im Alltag leicht vermittelbar. Zeitwohlstand richtet unsere Zukunft und unseren Fortschritt stärker auf immaterielle – und somit ressourcenschonendere – Ziele aus, ohne in Fundamentalopposition zu ökonomischen Erfordernissen zu gehen. Ihr Leitbild weicht nicht das Recht auf bessere materielle Lebensbedingungen auf, sondern bietet der Mittelschicht an, die eigene Lebensqualität zu steigern, ohne durch ihren überdehnten Ressourcenkonsum anderen Menschen – und zuletzt sich selbst – Verbesserungen zu verwehren.
Die Frage, wie wir leben wollen, wird zur Frage, wie wir unsere Zeit verbringen wollen.“
Wir brauchen Leitplanken für Zeitwohlstand und nachhaltige Lebensstile:
- Debatten über unser Verständnis von Wohlstand
- Einführung aktiver Zeitpolitik als eigenes Politikressort
- Einsatz des Indikators Zeit als zentrale Maßeinheit zur statistischen Messung von Wohlstand; Begründung einer Kultur des Zeitwohlstandes
- Geschlechtergerechte Verbesserung von Work-Life-Balance durch Aufwertung von Betreuung, Anerkennung nicht karrierehemmende Eltern- oder Pflegezeiten, Ausbau öffentlicher Care-Strukturen, Förderung von Mehrgenerationenhäusern
- Soziale Kompetenzförderung und Zeitmanagement als Bildungsauftrag
- Politik attraktiver machen durch niedrigschwellige Mitgliedschaften und erfahrbare Teilhabe
- Arbeitszeitverkürzung als zentraler Hebel nachhaltigen Wirtschaftens